Über EHRI-AT

Die European Holocaust Research Infrastructure (EHRI) ist eine internationale Forschungsinfrastruktur, die Holocaustforschung, -Gedenken und -Vermittlung auf transnationaler Ebene gewährleistet. EHRI-AT ist das nationale Konsortium, das die Republik Österreich innerhalb dieses internationalen Forschungskonsortiums vertritt.



Die Forschungsinfrastruktur EHRI wurde 2018 in die ESFRI-Roadmap der Europäischen Kommission aufgenommen. Der Sitz von EHRI befindet sich in Amsterdam, Niederlanden und wird von NIOD - Institute for War, Holocaust and Genocide Studies koordiniert. Österreich ist seit 2023 Gründungsmitglied von EHRI. Mit der offiziellen Gründung des österreichischen Konsortiums im Februar 2024 ist EHRI-AT nun ein aktiver Partner der europäischen Forschungsinfrastruktur EHRI.

EHRI-AT wird die langfristige Nachhaltigkeit der Holocaust-Forschungsinfrastruktur in Österreich fördern durch:

• Vertretung von Institutionen in Österreich, die im Bereich der Dokumentation, des Gedenkens und der Forschung zum Holocaust tätig sind, um ein starkes Forschungsinfrastrukturskonsortium zu bilden;
• den Austausch von Fachwissen über digitale Entwicklungen und die Verbindung von Ressourcen durch eine moderne digitale Forschungsinfrastruktur;
• die Verbreitung, Implementierung und Entwicklung innovativer digitaler Forschungstools,
• das Angebot von Fellowships und Trainingsmöglichkeiten für Forscher:innen, Archivar:innen und Expert:innen im Bereich des Kulturerbes.

    

Die Ziele von EHRI sind in erster Linie wissenschaftliche, doch die Forschungsinfrastruktur verfolgt auch eine breitere soziale und politische Agenda. Der jüngste Anstieg von Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und aggressiven Nationalismen in Europa und darüber hinaus zeigen, dass Holocaustforschung niemals ein rein akademisches Anliegen ist, sondern eine Voraussetzung für offene und diskriminierungsfreie Gesellschaften in ganz Europa und darüber hinaus.

Das EHRI-Portal ist eines der zentralen Projekte in EHRI. Das Portal soll Forscher:innen einen landesübergreifenden Überblick über Archivmaterial zum Holocaust verschaffen. Seit 2010 hat EHRI über 2.233 Archive aus 63 Ländern identifiziert und Informationen zu über 37.000 Sammlungen integriert. Der Bedarf nach einer solchen Infrastruktur wurde in Österreich bereits in den 1960er Jahren von Simon Wiesenthal erkannt. Er arbeitete in Wien mit dem Dokumentationszentrum des Bundes Jüdischer Verfolgter des Naziregimes an einer „Liste der Archive mit Material über die Nazizeit“. Die Broschüre war als Unterstützung für Gerichte und Forscher:innen gedacht. Dafür wurden Listen von Archiven in Tschechoslowakei, Israel, West-Deutschland fertiggestellt. Wie aus dem folgenden Zitat deutlich wird, gab es auffällige Gemeinsamkeiten zwischen Wiesenthals Projekt und dem digitalen EHRI-Portal.

     

21. LISTE DER ARCHIVE MIT MATERIAL ÜBER DIE NAZIZEIT.

Eine zweite Liste, nämlich die der Archive, ländermässig aufgestellt, mit Angaben über den Inhalt der Archive, ist in Bearbeitung und wird ländermässig an die interessierten Stellen versandt. Wir haben bisher die Listen der Archive in der Tschechoslowakei, Israel und Westdeutschland fertiggestellt. Wenn die Arbeit fertig ist, wird das Dokumentationszentrum eine spezielle Broschüre herausgeben. Sowohl Gerichte, wie auch Historiker und Forscher werden davon einen Nutzen haben, denn wir versuchen, bei der Angabe der Adresse des Archives auch mitzuteilen, welche Art von Dokumenten es beinhaltet.

Dokumentationszentrum des Bundes jüdischer Verfolgter des Naziregimes, Bulletin Nr. 9, 31. Jänner 1969, S. 6, Bulletin (deutsch)-1969/1

Prof. Éva Kovács

Studium der Ökonomie und Soziologie an der Corvinus Universität Budapest, PhD. 1994, Habilitation 2009. Éva Kovács ist auch Research Professorin im Zentrum für Sozialwissenschaften/Exzellenzzentrum der Ungarischen Akademie der Wissenschaften in Budapest. Ihre Forschungsfelder sind Geschichte und Geschichtsschreibung des Holocaust in Osteuropa, Gedächtnis- und Erinnerungsforschung, jüdische Identität in Ungarn und der Slowakei und Studien zur Roma und Sinti. Sie hat fünf Monographien verfasst, zehn Bücher herausgegeben, publizierte zahlreiche Artikel in peer-reviewed Journals und kuratierte mehrere Ausstellungen in Budapest, Berlin, Bratislava, Krems, Prag, Warschau und Wien mit. Sie ist die Gründerin des Archivs “Voices of the Twentieth Century” in Budapest. Sie war Mitglied des Internationalen Wissenschaftlichen Beirats des VWI zwischen 2010-2012 und Forschungsleiterin am VWI zwischen 2012 und 2020.

Mag.a phil. Marianne Windsperger

Mag.a phil., Literaturwissenschaftlerin mit Schwerpunkt in literarischen Repräsentationen des Holocaust, autobiografischen Quellen, jiddischer Literatur und Erinnerungstheorien. Studium der Vergleichenden Literaturwissenschaft und Romanistik an der Universität Wien, Absolventin des Uriel Weinreich Program for Eastern European Jewish History and Culture am YIVO Institute in New York. Seit 2018 ist Marianne Windsperger am VWI als Forschungskoordinatorin tätig. Hier koordiniert sie den Aufbau des österreichischen Konsortiums im Rahmen von EHRI-AT, ist im Editorial Team der Open-access Zeitschrift S:I.M.O.N. und arbeitet im Bereich des Fellowship-Programms und der wissenschaftlichen Publikationen mit. Außerdem konzipiert und organisiert sie wissenschaftliche Veranstaltungen.