Workshop "EHRI und Mikroarchive in Österreich"

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Unter dem Titel “EHRI und Mikroarchive in Österreich“ fand am 4. März 2024 ein ganztägiger Workshop am Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien statt. Das Institut präsentierte hier EHRIs Vorhaben, die Unterstützung für Mikroarchive zu verbessern und lud hierfür österreichische Mikroarchivinhaber:innen sowie Expert:innen ein, um Möglichkeiten und Herausforderungen einer Zusammenarbeit zu diskutieren.

In der Keynote von Franziska Schubert (Arolsen Archives) wurde die Bedeutung von EHRI und seine Projekte für Mikroarchive erläutert. In der aktuellen Projektphase EHRI-3 sollen diese mehr in die Infrastruktur miteingebunden und sichtbar gemacht werden. EHRI hat sich zum Ziel gesetzt, mehr Mikroarchive zu erreichen, um sie mit einem Publication tool auch im Portal aufführen zu können. Im Anschluss stellten verschiedene österreichische Mikroarchive ihre Arbeit vor. Robert Streibel erzählte von seiner Sammlung zur Erforschung der jüdischen Gemeinde und des Nationalsozialismus in Krems und Hietzing; Andreas Sarközi stellte den Kulturverein österreichischer Roma vor, der sowohl ein Forschungs- und Zeitungsarchiv als auch eine Bibliothek enthält. Das Zentrum für queere Geschichte QWIEN mit seinen Beständen zur queeren Geschichte und dem Schwerpunkt auf der Verfolgung von Homosexuellen im Nationalsozialismus wurde von Hannes Sulzenbacher präsentiert. Es folgte eine Vorstellung von Michael Achenbach von RE.F.U.G.I.U.S., ein Verein, der sich das Gedenken an die Opfer der Naziherrschaft in Rechnitz zum Fokus gesetzt hat und die Sammlungen des Vereins und der Forscher:innen zusammenträgt. NS-Quellen wurde von Verena Pawlowsky vorgestellt. Hier wurden in Form einer Datenbank z.B. Material zu Entschädigungsfragen und Restitution gesammelt.

In einer Roundtable-Diskussion sprachen Gerhard Baumgartner, Albert Lichtblau und Harald Wendelin über ihre Forschungserfahrungen in Mikroarchiven. Sie diskutierten über die Sichtbarkeit von Mikroarchiven und wie man diese bewahren könnte. Anschließend wurden die EHRI-Tools vorgestellt, unter anderem das Micro-Archive Publication Tool (MAPT), das als digitales Werkzeug für die Onlineveröffentlichung mit einer standardgemäßen Kategorisierung sowie zur Präsentation von Digitalisaten und Metadaten genutzt werden kann. Auch das EHRI-Portal, sowie der Blog und die Online Editionen wurden präsentiert – beides eine Form von Sichtbarkeit für Mikroarchive sowie den Austausch mit Forscher:innen und Archivar:innen.

Abschließend wurden in einer Diskussionsrunde Möglichkeiten und Ideen für die Zusammenarbeit erörtert. Die Vertreter:innen der Mikroarchive betonten, dass das MAPT zu stark auf digitale Kollektionen fokussiert sei. Viele kleine Archive haben einfach nicht die personellen Ressourcen, um Digitalisate zu erstellen. Ihre Sorge bestehe darin, dass die Kollektionen entnommen werden können, wenn die Bestände digitalisiert werden sollen. Dafür bräuchte es eine niedrigschwellige Betreuung durch EHRI – als eine Art “service desk“, um die Bestandsbeschreibungen zu aktualisieren und die redaktionelle Betreuung zu übernehmen. Die EHRI-Vertreter:innen wollen diese wichtigen Inputs in das nächste Workpackagemeeting tragen, auch in Bezug auf die Anerkennung für die Mikroarchive in einer Form der Öffentlichkeitsarbeit. Die Diskussion zeigte, dass es nach wie vor sehr essentiell ist, die Frage der Sichtbarkeit für die Mikroarchive zu erläutern.

Passend zum Mikroarchive-Workshop wurde der von Marianne Windsperger (VWI) und Julie Dawson (Universität Wien) herausgegebene S:I.M.O.N. Special Issue “Precarious Archives, Precarious Voices. Expanding Jewish Narratives from the Margins” vorgestellt. Dieser entstand im Nachgang eines Workshops zu „Precarious Archives, Precarious Voices“, in dem bisher verborgene Dokumente und Narrative zur jüdischen Geschichte und zur Shoah vorgestellt und diskutiert wurden, die in den vergangenen Jahren in Privatsammlungen, wiederentdeckten Archiven und lange unbekannten Beständen erhoben wurden. Die einzelnen Beiträge im Band behandeln beispielsweise die methodologischen Herangehensweisen an Mikroarchive oder persönliche Annäherung an Archive aus der eigenen Familie.